Dicker Nebel am Eiger und wie ich eine Jungfrau so richtig kennen lernte

Schweizer Berge

Meine Reise in die Schweiz vor ein paar Wochen wimmelt von Dilemmas. Alles fing mal wieder mit Emma an. Emma, die ich im Flugzeug niemals oben ins Gepäckfach lege und deshalb unter meinem Sitz verstecke, weil die Flugbegleiterinnen sie mir sonst wegnehmen. Emma, die ich dann morgens früh um sieben mit nur drei Stunden Schlaf vergaß.

Während Emma also im Lost&Found-Büro des Flughafens auf mich wartete, musste ich weiter mit meiner kleinen ungeliebten Ersatzkamera, denn ein Bloggerreiseprogramm wartet ja schließlich nicht. Bloggerreise? Nicht gefasst war ich darauf, dass ich die einzige Bloggerin sein würde. Ja, so etwas schüchtert mich ein. Die Schweiz schüchtert mich ein, denn ich habe eine kleine Vorgeschichte mit der Schweiz.
Ich mag es kaum erwähnen, aber es gab einst eine Zeit vor dem Mann, in der ich mich in der Weltgeschichte ein bisschen herumtrieb. Und zu meinen Geschichten gehörte dann und wann auch mal ein Mann, ein anderer, jawohl, nun isses raus, und ich hoffe, der Mann hält sich gerade Augen und Nase zu oder ist mit irgend etwas Wichtigem beschäftigt.
Jedenfalls verbindet mich mit einer dieser Liebeleien die Schweiz, die uns damals nur aufgrund der unsäglichen Großspurigkeit einen Strich durch die Rechnung machte, im wahrsten Sinne, denn als kleine Studentin konnte ich mir dieses wunderschöne Land schlicht nicht leisten, und ich glaube, der Schweizer hatte einfach keine Lust, ständig ins olle Berlin zu schippern, weshalb also diese Liebelei zu Ende ging, bevor sie noch richtig angefangen hatte, wobei ich natürlich heute weiß, dass das sowieso ihr Schicksal gewesen wäre, denn schließlich ist mein Schicksal ja der Mann.

Schaukel vor dem Eiger

Bevor ich aber munter weiter ins Pilcherische abgleite, schnell mein Fazit, was ich von meinen damaligen Schweiz-Herumtreibereien wusste:

a) Die Schweiz ist sauteuer.
b) Die Schweiz ist wunderschön.
c) Kühe sind zum Streicheln da.
d) Der Schweizer Humor ist pulverisierend trocken.
e) Jeder hat mehr Geld als Du.

Inka guckt Kühe an
Erst gucken, dann anfreunden, dann streicheln.

Natürlich nahm ich also diese Bloggerreise an, denn hundertprozentige Aussichten auf tolle Fotos, komische Geschichten, fast alles für lau - was sollte da schon groß schiefgehen?

Ich werd Euch sagen, was schiefgegangen ist:
Ahja, doch, da gabs eine Sache: Das Wetter war am dritten Tag, der eigentlich das Highlight sein sollte, nämlich auf dem Jungfraujoch, absolut unterirdisch!

Nix sehen auf der Jungfrau
Das Nix, mal so echt bildhaft.

Das Jungfraujoch liegt in den Berner Alpen zwischen Jungfrau und Mönch, hier befindet sich der höchstgelegenste Bahnhof Europas, vor allem aber auch eine grandiose Aussicht. Eigentlich.

Mann, war das ÄTZEND, sage ich Euch! Wer an diesem Tag mehr Zeit hatte, war natürlich unten geblieben und wartete auf eine bessere Gelegenheit, auf die Jungfrau zu steigen. Auf 3500 Meter standen somit lediglich gruppenweise arme Asiaten um mich herum und kotzten sich die Tütensuppe aus dem Leib, die sie von ihrem Gruppenführer bekommen hatten - ein regulär stattfindendes Schauspiel, wie mir mein Guide Roland erzählte, der sonst für die Asiaten zuständig ist. "Die Höhe bekommt ihnen nicht, und dann dieses Fertigzeug…"
Diejenigen, denen es besser ging, machten die üblichen Faxen und alle hatten gute Laune (sogar die, die bei fast null Grad ihre kleinen Ballerinas anhatten oder beim Haare halten helfen mussten).

Gutgelaunte Asiaten auf dem Jungfraujoch
Asiatische gute Laune auf 3500 Metern

Dafür finde ich sie wirklich sehr sympatisch.

Wie auch beim gegenüberliegenden Schilthorn haben sich aber findige Touristiker etwas ausgedacht, um Touristen bei launigem Wetter etwas zu bieten, denn natürlich fiel unsere geplante Wanderung bei dieser dicken Suppe aus.

Jungfraujoch im Nebel
Graues Süppchen

Unterhalb der Restaurants und des Aussichtspunktes gibt es daher einiges zu entdecken, und so ganz anders als die ultra-super-coole-moderne Bond-Ausstellung auf dem Schilthorn, nein, dieses Mal gibt es einen ganzen Eisstollen, direkt in den Gletscher gehauen, der natürlich regelmäßig erneuert werden muss.

Eispalast unter dem Jungfraujoch
Die Eispalast-Tour direkt durch den Gletscher...
Eisskulpturen
...mit Eisskulpturen...
Wisky-Werbung im Eisstollen
... und Eis- achnee Whisky-Werbung. Tsss, diese Schweizer.

Ein ganz schön komisches Gefühl, da durch zu gehen.

Inka im Eisstollen
Im Gletscher

Außerdem gibt es einiges Historisches zu entdecken, z.B. über den Bau der Tunnel für die Jungfrau-Bahnen, der natürlich sehr gefährlich war. Heute ist den Arbeitern, die damals beim Bau umgekommen sind, ein Denkmal gesetzt. Über die sicherlich vielen Staublungenkranken und -toten gibt es allerdings wohl keine Aufzeichnungen.

Tribute-Schild mit Daten

Erinnerungswand an die Arbeiter in den Tunneln

Auch über den Rückgang der Gletscher wird - zwar nicht viel aber dennoch - berichtet. Auch mein Guide Roland erzählt, dass an verschiedenen Hütten, die auf Gletscher gebaut sind, nachjustiert werden muss, weil sich die Gletscher zurückziehen. Das alles ist überdeutlich und ich frage mich, wie das wohl hier in 50 Jahren aussehen wird.

Abbildung der Jungfrau

So langsam wird mir klar, dass ich vermutlich den genialsten Guide der gesamten Jungfrauregion bekommen habe. Wann immer nämlich Roland irgendeinen Touristen- oder Lokführer trifft, wird per Handschlag gegrüßt. So ganz nebenbei erzählt er, dass er mit Reinhold Messner hier vor drei Wochen in der Wand gehangen sei, hier gäbs nämlich den Ausstieg zum Eiger, dem berühmten, und da hättens halt eine Doku gedreht drüber. Öh, achso ja, klar. (...wow...)

Außen wirkt er erst einmal wie ein harter Kerl, aber er muss mir wohl meine Enttäuschung angesehen haben, ein besch******* halbes Jahr habe ich mich auf die Jungfrau gefreut, auf diesen AnAusblick, endlich einmal den Aletschgletscher sehen, und so schnell komme ich ja vermutlich nicht mehr hierher zurück undsoweiter... Jedenfalls horcht Roland auf, als ich erwähne, dass mich die Jungfraubahnen ziemlich interessieren, wo die denn gewartet werden und wie das alles funktioniert und so...

Jungfraubahn im Nebel

Ja na klar, sagt Roland, dann zeig ich Dir doch einfach mal bissl von der Bahn, und am Besten fahren wir doch gleich in der Fahrerkabine mal rauf. In der Fahrerkabine? Nee, oder? Juhuu!

Fahrer einer Jungfraubahn
Los gehts!
Gleis im Nebel

Erst in die Wolken, und dann in den 7 km langen Tunnel, wo der Fahrer extra für mich das Licht ausschaltet. Gruselig - und toll!

Tunnel der Jungfraubahn
Ja, ok, die Emma hätte das besser gekonnt. Und dennoch...

Woah! Das ist fast so genial wie im Cockpit eines Flugzeugs, sage ich Euch. Die Jungfraubahnen sind nämlich 100 Jahre alte Zahnradbahnen, die von der Kleinen Scheidegg steil auf das Jungfraujoch führen, dabei durchqueren sie zum Beispiel die Eiger Nordwand und den Mönch.

Zweimal wird angehalten und man kann durch Aussichtsfenster aus den Tunneln herausschauen.

Aussichtsfenster Eigerwand
Kleine Aussicht aus dem Tunnel der Eigerwand heraus.

Auf dem Weg erzählt Roland mir, dass jeder, der hier arbeitet, mehrere Aufgaben hat, so sind alle Arbeiter gleichzeitig auch als Feuerwehr- und Erste-Hilfe-Mensch und in der Lawinenrettung ausgebildet. Und da, sieh mal, da ist der Ausstieg, um sich den Anstieg auf den Eiger-Gipfel etwas leichter zu machen, da, das Fenster. Da halten die Jungfraubahnen auf Wunsch auch an.

Jeder der Fahrer muss mal Nachtschicht schieben, denn niemand soll dort oben alleine sein. Das ist ziemlich spannend, und so zeigte mir Roland dann auch gleich das Büro und die ganze Feuerwehrausrüstung. Schiete, ich habe mich nicht getraut zu fragen, ob ich eine da mal anziehen darf, ich Depp.

Feuerwehr auf dem Jungfraujoch
Feuerwehr - darf ich, darf ich nicht, ich darf, ich darf nicht...

Bei der Weiterfahrt und einer Steigung von 25% fragte ich mich, was so ein Zahnrad wohl alles aushalten kann. Das zeigte mir Roland dann gleich in der Werkstatt, denn klar, die ist dort oben auf halber Strecke, diese Bahnen kann sonst niemand mehr reparieren.

Werkstatt der Jungfraubahnen
Werkstatt der Jungfraubahnen

Natürlich sind die Bahnen selbst nicht 100 Jahre alt und wurden erneuert. Einer von diesen ganz alten knuffigen Waggonteilen steht aber noch vor der Werkstatt.

Alter Waggon der Jungfraubahnen
Alter Waggon der Jungfraubahn.

Die Bahnen werden gestoßen, nicht gezogen, und produzieren beim Fahren gleichzeitig etwas Strom, der wieder genutzt wird. Bei Bahnbetrieb ist immer ein Werkstattangehöriger da, um im Notfall ausrücken zu können. Wir unterhalten uns ein bisschen mit der Sonntagsschicht und gehen anschließend noch in eine weitere Werkstatt, in der die alten Bahnen ausgestellt sind.

Nostalgische Züge der Jungfraubahnen
Aaaawww, Nostalgiiee! Nein, nicht Du, Roland - die alten Waggons! Tsss!

Anschließend zeigt mir Roland noch die Eigerspitzli-Confiserie und das Haus, in dem der Erbauer der Jungfraubahnen, Adolf Guyer-Zeller, gelebt hat, in dem vieles noch aussehen soll wie damals.

Wohnzimmeransicht

Und da Roland für einfach alles einen Schlüssel zu besitzen scheint, darf ich zum Abschluss noch dem Koch im höchst dekorablen Restaurant auf dem Jungfraujoch über die Schulter schauen, während dieser mir eine ganz besondere Nachspeise zubereitet. Yummiii!

Küche und Nachtisch


Summa summarum:

Aber das Wetter, das war wirklich totale Scheiße. Wenigstens etwas.


Disclaimer: Vielen Dank an die Jungfrauregion für die Einladung und ganz besonders Roland für das phänomenalste
Not-Programm aller Zeiten aufgrund des Wetters. Meine Geschichten sind wie immer mein ganz eigener Blickwinkel.


TTT - TierischeTouriTipps


Stempel Jungfraujoch

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