Wo die Kraniche ziehen - Fischland-Darß-Zingst an der Ostsee

Kraniche im Sonnenuntergang
Kraniche - jedes Jahr rasten sie im Herbst zu Zehntausenden auf dem Darß an der Ostsee
Unbedingte Hörempfehlung zu diesem Artikel: Coldplay, Reprise

Wieder einmal zu wenig Zeit. Im Auto rauschen wir vorbei, am schönen Mischwald der Sundischen Wiese, durch den das zauberhafte Herbstlicht fällt, vorbei an den Salzgraskühen mit den hübschen Hörnern, die hier für McDonalds ein erstaunlich schönes Leben führen dürfen, bis ihr Ende naht. Über uns der Seeadler kreisend, für den ich kein geeignetes Objektiv dabei habe, sakra!
Aber die Kraniche warten auf uns, insgesamt sind es dieses Jahr wohl knapp 40.000, die sich im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft niedergelassen haben, ca. 15.000 an der Großen Kirr und vermutlich ähnlich viele noch einmal vor der Großen Werder, am Westzipfel der Halbinsel, östlich von Zingst gelegen.

Seit Jahren fahre ich in diese Gegend und wurde schon oft gefragt, was denn so meine "Geheimtipps" für die Beobachtung der wunderschönen Vögel sind. So geheim sind sie mittlerweile nicht mehr, deshalb packe ich heute einmal aus, was ich die letzten Jahre eifersüchtig für mich behalten habe.

Fliegende Kraniche
Trotz aller Mühen: Im nächsten Leben wäre ich gerne Kranich.

Der Darß im Herbst


Ich liebe den Darß. Wenn es Herbst wird, die Blätter zu fallen beginnen, wenn die Bauern ihre Maisernten einbringen, dann kommen die Kraniche auf ihrem Herbstzug hier vorbei und futtern sich mit den
übriggebliebenen Maiskörnern Kraft für die lange Reise in den Süden an. Das ist die Zeit, in der auch ich den Darß besuche.
Mal hatten wir Pech und es regnete Hunde und Katzen und der blöde Akku vom E-Bike ging kaputt - seither gibt es nur noch olle normale Fahrräder für mich. Wusstet Ihr, dass es tatsächlich E-Bikes gibt, bei denen dann auch kein Licht mehr geht, wenn der Akku kaputt ist? Das ist besonders ätzend, wenn man noch 12 Kilometer mit dem Fahrrad durch den dunklen Nationalpark zu fahren hat, ganz zu Schweigen vom Gegenwind auf dem Deich. Schweißnass sind wir damals gefühlt mitten in der Nacht zurückgekommen...

Tagsüber aber, bei der besonderen Herbstsonnenstimmung und bei so großartigem Wetter wie wir es am letzten Wochenende hatten, ist der Darß mit seinen ausgebauten Fahrradwegen auf den Deichen, den röhrenden Hirschen auf der westlichen Landspitze am Darßer Ort, der unvergleichlichen Natur, der Gemütlichkeit aller Bewohner und Touristen, den reetgedeckten Häusern mit den schönen Türen, dem türkisblaugrünen Meer auf der einen, dem Bodden auf der anderen Seite und vor allem wegen der bis zu 40.000 Kraniche der Ort, den ich nicht missen möchte und mein Sehnsuchtsort im Herbst.

Buhnen auf dem Darß

Dünengras

Blau-Weiß-gestreifter Strandkorb

Der Geheimtipp scheint seit spätestens diesem Jahr keiner richtiger mehr zu sein, der Herbst-Tourismus hat Einzug gehalten, mit ihm die Idee, aus Zingst ein Fotoparadies zu machen: Es gibt Fotowettbewerbe, das Zingst-Fotofestival, wirklich interessante Fotoworkshops und verschiedene Anbieter stellen zu allen möglichen Gelegenheiten ihr Equipment aus; alleine dieses Mal konnte ich ein Sigma-Objektiv ausprobieren und Leicas Idee bewundern, mittels Adapter die neue kleine Leica einfach auf ein Monokular zu schrauben.

Die Kraniche scheinen das zu mögen, ich habe dieses Mal mehr Kraniche gesehen als in allen Jahren zuvor. Wer diese Tiere nicht erlebt hat, wird meine Kranichliebe nicht ganz nachvollziehen können, wer aber schon einmal zwischen 15.000 Kranichen gestanden, ihren lauten Trompetenrufen gelauscht und ihren Tänzen zugeschaut hat, der ist meistens vom gleichen Fieber befallen.

Für nächstes Jahr nehme ich mir endlich einmal vor, eine ganze Woche zu bleiben, ein Wochenende war wie immer viel, viel zu kurz.

Reedgedecktes Haus
Reetgedeckte Häuser sind typisch für diese Gegend und werden schönerweise erhalten
Seebrücke von Zingst
Die Seebrücke von Zingst...
Kunstwerk in der Muschel auf der Seebrücke Zingst
... und mein Lieblingskunstwerk darauf. Ja, sucht mal danach, es ist so klein, wie es aussieht.
Muscheln sammeln - obligatorisch
Fischbrötchen am Hafen in Zingst
Rettungsring am Boot
Bodden und Boote - gehören zusammen
Fliegende Kraniche
Das Trompeten der Kraniche ist überall zu hören

Kraniche tanzen übrigens tatsächlich, und zwar nicht nur vor lauter Balzerei sondern schlicht aus Freude. Das hat mir mal ein Naturpark-Ranger erzählt, ich habe es aber nicht glauben wollen, bis ich so einen Tanz mit eigenen Augen gesehen habe. Einen Film gibt es davon eigentlich auch - leider vor Jahren mit der falschen Musik unterlegt für ganz private Zwecke. Irgendwann einmal vertone ich ihn nach und zeige ihn Euch, bis dahin gibt es erst einmal eine geballte Ladung Fotos und:


Meine Tipps für Kranichbeobachtungen


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Legende:
Tropfen: Hinweise und Tipps, meist zu Kranich-Beobachtungsplätzen.
Orangene Polygone: Kranich-Rastplätze

Lila Linien: Flugrouten, die ich beobachtet habe. 
Blaue Linie: Bootsroute
Alle Informationen habe ich nach eigenen Beobachtungen mehrerer Jahre zusammengesammelt und übernehme keine Gewähr.

 

Allgemeines zur Kranichbeobachtung


Kraniche sind empfindlich. Einfach so irgendwohin fahren und heranpirschen funktioniert nicht, denn dann fühlen sie sich gestört und kommen nicht wieder, deshalb sind viele Gebiete abgesperrt. Bei anderen, öffentlichen Gegenden muss man einfach an die Menschen appellieren: Bitte stört die Kraniche nicht und haltet großen (!) Abstand.
Das bedeutet auch: Für Fotos braucht man mindestens ein sehr gutes 300mm Tele, besser noch 500mm, sonst sind eben nur solche Fotos drin, wie ich sie hier Euch präsentieren kann.

Fliegende Kraniche
Ein gutes Tele mit mindestens 300, besser 400 mm sind empfehlenswert. Oder man genießt einfach die Stimmung.

Am Schönsten sind wohl die An- und Abflüge der Kraniche von und zu den Schlafplätzen zu Sonnenaufgang und Sonnenuntergang: Luft und Boden voller Kraniche und es ertönt deren tausendfaches Trompeten und Flügelschlagen.

Tagsüber haben wir uns Darß und Zingst angeschaut, Strandspaziergänge unternommen oder Festivals besucht, der Darßer Ort sei hier unbedingt empfohlen, inklusive der Besteigung des Leuchtturmes.

Wanderweg im Darßer Ort an der Ostsee, Hirsche
In der Umgebung des Darßer Ortes gibt es naturschonend angelegte Wanderwege und zwei Hirschrudel, die im Herbst die Camper auf den nahegelegenen Campingplatz gerne durchs nächtliche Röhren vom Schlafen abhalten (leidvolle empirische Erfahrung)

Wer tagsüber Kraniche sehen möchte hat die Gelegenheit auf den Feldern entlang der L211 unterhalb des Darß; hier sitzen sie dieses Jahr in Tausendschaften herum.

Kranich-Futterplatz auf dem Darß an der Ostsee
Tagsüber fressen die Kraniche sich an den Resten der abgeernteten Felder satt.

Meistens geht es aber wie erwähnt um die Kranichzüge am Morgen und Abend:

Der Ostzipfel: Pramort mit Blick Richtung Große Werder


Das war der Geheimtipp noch vor ein paar Jahren, mittlerweile hat er sich wohl herumgesprochen, ist aber immer noch fantastisch und nicht ganz so überlaufen, weil das Hin- und Zurückkommen immerhin ca. 16 km Fahrradfahren beinhaltet:
Um etwa 15 Uhr gibt es Eintrittstickets gegen wenige Euronen an einem kleinen Häuschen bei der Sundgauer Wiese, genau dort, wo die Autoverbotszone beginnt (siehe Karte). Es werden nur bis zu 80 Leute am Abend in den Nationalpark gelassen. Von dort geht es noch ca. 6 km mit dem Fahrrad weiter bis zu den Unterständen am ganz östlichen Zipfel in Pramort.
Vor Ort ist ein Guide, der viel zu den Kranichen erklärt, es gibt außerdem kostenlose Ferngläser.
Die Kraniche übernachten hier, es gibt also Sichtungen am Abend oder auch am Morgen, dann ist Treffpunkt gegen 5 Uhr, genaue Infos gibt es in jedem Hotel vor Ort oder der Touristeninformation in Zingst.

Tausende fliegende Kraniche
Und auf einmal ist man von tausenden Kranichen umringt...

Eine Bootstour zur Großen Kirr


Die große Kranichfahrt gibt es um 17 Uhr. Die Boote und der große Dampfer, den wir genommen haben, fahren Richtung große Kirr. Es hieß, dass dieses Jahr noch viel mehr Kraniche dort rasten als die Jahre zuvor, und wir wurden nicht enttäuscht. So viele Kraniche habe ich sonst nicht einmal in Pramort gesehen, außerdem fand ich es persönlich sogar etwas entspannter als in den relativ kleinen Unterständen in Pramort.
Die Organisation der Fahrkarten war allerdings etwas chaotisch, was vermutlich daran liegt, dass sich das Ganze noch nicht etabliert hat und seit letztem Jahr einen Touristenansturm erfährt. Noch vor drei Jahren habe ich auf einem völlig anderen Boot mit wenigen anderen Leuten gestanden, allerdings haben wir auch nur wenige Kraniche gesehen. Die Boote fahren mittlerweile relativ nah an die große Kirr heran.
Die Fahrt kostet 13 Euro, geht knapp eineinhalb Stunden und Ferngläser gibt es für 1 Euro zu mieten. Ob man vorher Karten kaufen oder reservieren kann, da gehen die Meinungen auseinander. Wir haben uns um 16.30 Uhr angestellt, was gereicht hat, die Letzten haben aber nur ganz knapp noch aufs Schiff gepasst. Also besser: Früh da sein!

Fliegende Kraniche im Sonnenuntergang über Zingst
Da kommen sie in riesigen Schwärmen, während die Sonne die Umgebung in goldenes Licht taucht - schöner geht es kaum.
Tausende Kraniche auf ihrem Rastplatz im Bodden
Und jetzt bitte die Beinchenstellung beim Landeanflug beachten! Ich könnte mich jedes Mal darüber beömmeln...
Fliegende Kraniche
Teils fliegen sie direkt über unseren Köpfen.
Fliegender Schwan
Jaja, der Witzbold, wollte auch mal auf Kranich machen.
Der Bodden im Sonnenuntergang
Wenn es windstill ist, sieht man eine fantastisch schöne Spiegelung der Boddenlandschaft im Sonnenuntergang.


Auf eigene Faust und per Pedes oppn Deich


Der beste Platz ist wohl kurz vor bzw. auf der Meiningen-Brücke, die das Festland mit dem Darß und Zingst verbindet. Man ist nicht ganz so dicht an den Kranichen dran, wunderschön ist dort allerdings der Sonnenaufgang, einige Schwärme fliegen mit Glück dann auch mal über den Kopf hinweg. Die meisten fliegen allerdings ein kleines Stückchen weiter südlicher.

Fliegende Kraniche im Sonnenaufgang
Sonnenaufgang auf der Meiningen-Brücke
Am Abend versammeln sich hier viele Menschen am Ausguck auf dem Deich, hier steht auch mal ein netter Mensch von Leica und verteilt kostenlos Ferngläser zum Ausprobieren. Bei dieser grandiosen Optik hätte ich fast geheult - so ein Objektiv möchte ich bitte mal haben.

Kranichbeobachtung auf dem Darß
Am Deich mit Blick auf den Bodden, nahe der Meininger Brücke

Wir sind vor allem geblieben, weil der Sonnenuntergang unglaublich war.

Sonnenuntergang über dem Darß
Fantastischer Sonnenuntergang jenseits von Afrika

Sich weiter nördlich einfach an den Deich zu stellen, also z.B. in Zingst an den Bodden, macht wenig Sinn, die Kraniche sind dann einfach zu weit weg. Dafür allerdings hat man eventuell einen fantastischen Sonnenaufgang ganz für sich alleine.

Sonnenaufrgang über dem Darß
Sonnenaufgang oppn Deich.

Bresewitz: Im kleinen Örtchen südlich der Brücke, also schon auf dem Festland, kann man die Straße "Zur Oie" ganz nach Osten gehen und zur Insel Oie rüberschauen. Vor drei Jahren habe ich dort Kraniche gesehen, wieviele es dieses Jahr sind, sollte man vermutlich vorher erfragen (oder es einfach ausprobieren).

Pruchten: Der Naturcampingplatz Pruchten liegt südlich von Bresewitz und ist schon alleine als Campingplatz zu empfehlen. Frühmorgens wurde ich durch das Trompeten der Kraniche wach, die direkt über das Zelt flogen - ein tolles Erlebnis. Direkt hinter dem Campingplatz gibt es ein Feld - mit viel Glück fliegen die Kraniche nicht nur darüber hinweg sondern lassen sich auf dem abgeernteten Feld nieder.

Naturcampingplatz Pruchten
Wunderschöner Naturcampingplatz Pruchten

Der Abschied vom Darß fiel mir dieses Mal besonders schwer. Manchmal frage ich mich, ob es den Kranichen beizeiten auch so geht.

glasklares Wasser der Ostsee
Glasklares Wasser der Ostsee
Fliegende Kraniche vor Mond
Mondaufgang: Die Kraniche fliegen zu ihrem Nachtlager

PS: Die Fotos sind mit der Emma und einer Testkamera Olympus OMD E-M1 gemacht, außerdem habe ich drei alte Fotos von meiner kleinen Canon Bridge vor drei Jahren untergeschummelt. Die Emma hat sich trotz Billig-Objektives 70-200 gut gemacht, die weitaus cooleren Fotos habe ich mit der OMD gemacht, weil das Knipsen mit ihr einfach Spaß macht, außerdem hatte ich dafür das wundervolle M.Zuiko 12-40mm f2,8. Der Vergleich ist daher ein bisschen unfair.


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Fortkommen

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