Island und seine Gletscher: Eisklettern auf dem Sólheimajökull

Glacier
Wandeln auf dem Gletscher: Am Sólheimajökull

Locker und lässig springt der Guide über die Gletscherspalte. Nicht, dass sie besonders breit wäre, aber sie ist unheimlich tief, so tief, dass ich den Grund nicht sehen kann, sonst müsste ich mich sehr weit vorbeugen, um direkt in das dunkle Blau hinunterzuschauen, doch das, warnten uns die Guides, sollten wir dann doch mal lieber tunlichst unterlassen.
Denn so ein Gletscher arbeitet, er wandert, und zwar immerhin so schnell, dass die Guides jede Woche eine neue Route für die Gletscherwanderung finden müssen.

Gletscherspalten
Der Guide geht sicherheitshalber voraus

Es ist heute kalt und windig und regnerisch, schon der Weg zum Gletscher hatte einmal wieder diesen unheimlich-halbgruselig-grau-typischen Islandtouch.

Dunkelgraue Wolken vor Autofenster
Dunkelgrauer Nebel auf dem Weg zum Sólheimajökull

 "You are wrong in Iceland, if you don't like this weather", hatte mir jemand gesagt, Du bist falsch in Island, wenn Du dieses Wetter nicht magst. Ja schon, ich bin ein kältemögender Mensch und mag auch Regen, wenn der mir aber den Himmel so grau macht, dass die Fotos oll aussehen, bin ich dann doch ein bisschen angepisst.

Ansicht des Sólheimajökulls
Los gehts, auf zum Gletscher!

Doch eigentlich macht das Wetter nichts, ich werde sowieso nicht allzu viele Fotos machen können. Wir tragen zwar ordentliche Steigeisen, die sind aber erst einmal ziemlich ungewohnt und ich muss aufpassen, wohin ich trete. Außerdem muss ich für die Sicherheit noch dieses komische Eisending in der Hand halten, mit dem ich mich zur Not festhaken kann.

Vier bescheuert aussehende Touristen mit Helmen und Steigeisen und Pickel
Ja, so muss das. So ein ganz bisschen dusselig sehen wir schon aus.
Schuhe mit Steigeisen über Gletscherspalte
Fromwhereistand: Gletscheredition. In den Gletscherspalten leuchtet es blau.

Mittlerweile ist es so feucht, dass Emma, meine Kamera, mal wieder ihre neurotische Nässescheuheit packt und ständig in Ohnmacht fällt. Ich kann sie immer wieder nur kurzfristig aufpäppeln, indem ich den Akku kurz herausnehme. Ein Gebaren, was sie sich nach ihrem offensichtlich traumatischen Scheintod in der Antarktis zugelegt hat.

Der Sólheimajökull ist außerdem nicht sonderlich fotogen, denke ich jedenfalls anfangs noch: Schwarzdreckige Lavaasche überzieht den gesamten Gletscher. Mit dem Vorzeigegletscher Perito Moreno in Patagonien ist er deshalb nicht zu vergleichen, sehr gerne würde ich aber die Kombination aus blauen Eisspalten und grauer Lavaasche mal bei schönem Wetter sehen, das muss ziemlich toll aussehen. Jetzt aber hängen tiefdunkle Wolken am Himmel und ich habe Mühe, ein paar Fotos hinzubekommen, die annähernd diese gigantischen Eismassen in ihrer ganzen wunderbaren Weite zeigen. Warum manche Stellen im Eis blau leuchten habe ich *hier* versucht zu erklären.

Ich ziehe meine Kapuze dichter, denn jetzt geht es schon ans Klettern. Während die Jungs von Arctic Adventures die Seilsicherungen anbringen, überlege ich, wie zum Teufel ich diese 6-7 Meter hohe Eiswand raufkommen soll.

hoher Eisberg
Das Sicherungsseil zum Eisklettern wird angebracht

Aber die beiden machen ihren Job und feuern jeden von uns ordentlich an. Tatsächlich geben meine Wanderschuhe, die eher für Bergwandern denn zum Bergsteigen gemacht sind, auf den ersten Metern ordentlich nach, bis ich den Dreh raus habe und mit ganzer Anstrengung sogar oben ankomme.

Eiskletterer an der Wand
Das bin ich! Tapfer nach oben kämpfend! Die Frauen kletterten übrigens besser als die Kerle, ha!

Boah, wat bin ich stolz, das erste Mal Eisklettern und ich hab es bis nach ganz oben geschafft, yai!
Nein, Scherz beiseite, in Wirklichkeit war das natürlich super einfach und ging total fix:

Eisklettern gif

Und der Mann hat es sogar ganz ohne Sicherung gemacht, logisch.

Spektakulär: Mann ohne Sicherung an der Eiswand
Na klar! Echt jetzt! Ähm...

Mit Rest-Adrenalin im Blut geht es jetzt laufenderweise weiter ein ganzes Stück den Gletscher hinauf und die Guides erzählen uns einiges zur Entstehung und den Eigenschaften des Gletschers, so sind z.B. viele der Löcher durch Wasser entstanden, das sich ins Eis bis zu hunderte Meter tief eingraben hat. In eines dieser Löcher lassen wir einen Stein fallen - es dauert ewig, bis wir hören, dass er auf dem Wasser aufschlägt.

Ansicht des Sólheimajökull, Eis, Lavaasche, Gletscherspalten
Wahnsinnsformationen. Sie ändern sich von Tag zu Tag.

Das Wasser fließt subglazial, also unter dem Gletscher wieder heraus und früher kam es so manches mal vor, dass mit dem Wasser ein kleines Lamm ausgespuckt wurde, wird uns erzählt.
Schafe auf einem Gletscher? Ja, tatsächlich ist westlich des Gletschers ein grüner Hügel zu sehen, der früher zu einer beliebten Region gehörte, um die Schafe im Sommer weiden zu lassen. War ein Lamm unerfahren oder unachtsam, fiel es in eine der Spalten. Mit Glück überlebte es sogar.
Ich möchte mir trotzdem nicht vorstellen, hier hineinzufallen.

Tiefe Gletscherspalte
Beeindruckende Gletscherspalte

Der Sólheimajökull ist, wie fast alle Gletscher dieser Welt, rückläufig. Der Blick ins Tal zeigt genau, wo der Gletscher früher entlangfloss.

Gletscheransicht und Blick ins Tal
Blick ins Tal, wo früher der Gletscher entlangfloss. Heute hat er sich stark zurückgezogen.

Je länger wir auf dem Gletscher herumwandern, umso schöner finde ich die gruselig-graue Stimmung und entdecke einmal wieder meine Lieblingsfarbe in neuen hübschen Facetten.

Glacier Sólheimajökull, Iceland
Shades of grey

Als wir die letzten Meter zum Parkplatz hinabsteigen, fängt es tierisch an zu schütten - ein gutes Timing, hier jedenfalls sehe ich sowas positiv. Das ist eben Island.

Gruppe mit Schutzhelm und Eispickel auf dem Gletscher


TTT - TierischeTouriTipps


Es gibt mehrere Unternehmen, die Gletscherwanderungen und Eisklettern anbieten. Unsere "Blue Ice"-Tour wurde von Arctic Adventures organisiert. Vorherige Reservierung ist erforderlich. In der Hauptsaison ist angeraten, das frühzeitig zu tun, denn die Gruppengrößen sollen überschaubar bleiben und sind deshalb häufiger ausgebucht.


Disclaimer: Vielen Dank an Arctic Adventures, die mich netterweise zu dieser Gletscherwanderung einluden. Ein besonderer Dank geht an die beiden Guides, deren Namen ich mir frevelhafterweise nicht aufgeschrieben habe und an den herrlichen roten Bart, der tapfer alle unsere ungelenken Eiskletterversuche aufs Höchste lobte.
Ebenfalls ein besonderes Dankeschön auch an den Mann, der mir zum obigen GIF verhalf und außerdem (einmal wieder) seine Modelqualitäten unter Beweis stellte.
An die Kinder und Kindgebliebenen: Selbstverständlich klettern wir nicht ohne Seilsicherung, gell! In Wirklichkeit sah der Mann nämlich etwa so aus:

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