Elbtalauengeschichten aus der Prignitz - herbstlicher Reisetipp

Auf dem Deich
Oppn Deich

"Wilde Pferde grasen am Ufer ausgedehnter Auengewässer, große Schwärme rastender Wasservögel lassen sich nieder, über allem kreist der Seeadler… So könnte sie ausgesehen haben, die offene Auenlandschaft vergangener Zeiten", steht auf einer Informationtafel in der BUND-Austellung der Burg Lenzen.
Die Tafeln scheinen wohl ein bisschen veraltet, denn: Ich habe einen Teil dieser Auenlandschaft gesehen, ich habe Wildpferde und Seeadler gesehen, und erstaunlicherweise ist diese Hobbitlandschaft gar nicht weit entfernt: In der Elbelandschaft in der Prignitz in Brandenburg bei Lenzen. Sie war für mich das absolute Highlight meiner Brandenburgtour vor einigen Wochen.

Das Auenökologische Zentrum Lenzen


Mit Fördermitteln der EU, des Bundes, dem Land Brandenburg und dem BUND Niedersachsen wurde seit 2005 ein Teil des Deichgebietes an der Elbe bei Lenzen zurückgebaut. Dem natürlichen Flusslauf der Elbe nachempfunden ist das neue Deichgebiet gleichzeitig Hochwasserschutz- wie Renaturierungsmaßnahme, das zu schmale künstliche Hochwasserbett wurde wieder erweitert und die ursprüngliche Landschaft, der Auenwald und Seggenwiesen rekonstruiert.

Quelle: Naturschutzgroßprojekt Lenzener Elbtalaue

Über die künstliche Wiederbewaldung eines Auenwaldes mit seinen Weiden, Eichen und Ulmen und Weiden weiß man eigentlich nichts, es ist ein empirischer Versuch, der bisher erfolgreich allen Seiten zugute kam: Den Menschen, dem sanften Tourismus, dem Hochwasserschutz, der Natur. Wie erfolgreich das Konzept ist, wurde spätestens in diesem Jahr besonders deutlich: Während im Jahr 2002 die Ausmaße des Elbe-Hochwassers katastrophal waren, wurden die Ortschaften in dieser Gegend vom diesjähringen Hochwasser verschont.

Elbauental
Elbtalaue mit natürlichen Überschwemmungsgebieten

Die Burg Lenzen, die selber eine interessante Geschichte hat und auf den Grundsteinen der alten slawischen Königsburg Lenzen steht und heute dem BUND Niedersachsen gehört, ist das Herzstück aller Planungen der Deichrückverlegung, ein Besucherzentrum und Ausstellungen informieren üder den genauen Ablauf und einzelne Maßnahmen.
 
Burg Lenzen
Die Burg Lenzen

Ausstellungen im Burgturm


Mein Besuch in Lenzen führte mich erst einmal in die verschiedenen Ausstellungen im mittelalterlichen Burgturm. Schon allein das innen mit Naturstoffen restaurierte Gebäude beeindruckt. Eine Mitarbeiterin vom BUND erklärt anhand einer nachgebildeten Elbflusslandschaft das Deichrückverlegungs-Projekt, mit einlaufendem Wasser kann ich mir von den unterschiedlichen Wasserläufen selbst ein Bild machen.

Modell Deichrückverlegungsgebiet bei Lenzen
Modell des Deichrückverlegungsgebietes

Interaktive Monitore zeigen den Verlauf der Elbe in deren Begradigung in verschiedenen Jahrzehnten.
Die Ausstellung "Erlebnis Grünes Band" bereitet außerdem die Geschichte dieses ehemaligen Grenzgebietes auf, denn die Elbe ist an dieser Stelle die Grenze zu Niedersachen. Durch verschiedene Medien wird an die Geschichte und Wendezeit erinnert.

Ausstellung Erlebnis grünes Band
Ausstellung "Erlebnis Grünes Band" im Lenzener Burgturm

Was mir besonders gut gefällt: Die Ausstellungen sind sehr gut auch für Kinder geeignet und sehr informativ.
In den oberen Stockwerken wird die Geschichte Lenzens erzählt, von den slawischen Siedlungen bis ins 19. Jahrhundert, mit merkwürdigen Reliquien aus dieser Zeit. Wusstet Ihr zum Beispiel, dass es Schuhe für Pferde gab und ein "Hundelaufrad" zum Nutzen der Hundekraft?

Hundelaufrad
Ein "Hundelaufrad", mit dem der Bauer auch die Hundeskraft ausnutzte - für was eigentlich?

Ein riesiges Diorama, fast 100 Jahre alt, erzählt die slawische Geschichte Lenzens. Wer genau hinschaut erkennt allerdings, dass der Künstler ein Sammelsurium an Zinnfiguren genutzt hat: Da läuft auch schon mal Indianer und Cowboy nebeneinander herum.

Diorama slawische Kriege
Diorama des slawischen Lenzen

Zum Schluss führt eine Wendeltreppe bis ganz nach oben und eröffnet eine grandiose Aussicht über die Umgebung bis zur Elbe.

Burgturm Lenzen
Panorama über Lenzen und die Elbe
Lenzen und Umgebung - tolle Aussicht aus dem Lenzener Burgturm

Fahrradtour im Deichrückverlegungsgebiet


Bevor ich mich auf mein Fahrrad schwinge, um das Deichrückverlegungsgebiet selbst abzuradeln, schaue ich mich noch etwas im Ort um.

Fachwerkhäuser in Lenzen
Lenzen voll mit Fachwerk-Häusern

Störche in der Prignitz
... und obligatorischen Störchen, ist doch klar

Fachwerkhäuser in Lenzen
... und noch schönerem Fachwerk

Fachwerkhäuser in Lenzen
... und schönen Sprüchen über den alten Türen

Zu diesen hübschen Häusern ist einfach nichts mehr zu sagen, oder? Tatsächlich ist Lenzen nicht nur der zauberhafteste Ort dieser Gegend, sondern auch noch einer, in den sich nur wenige Touristen verirren, weshalb die Einheimischen noch nicht völlig abgenervt sind und jeden freundlich grüßen. Sobald ich mit meiner Kamera stehenbleibe, werde ich in ein nettes Gespräch verwickelt. Jetzt weiß ich: Ich bin tatsächlich im Hobbitland. Allerdings tragen die Prignitzer hier Schuhe.

Aber nun ab auf den Deich, das Programm ist voll heute und ich will unbedingt die empfohlene Fahrradrunde machen: Einmal auf dem neuen Deich hin und auf dem alten Deich direkt entlang der Elbe zurück.

Lenzen
Nein, nicht die Elbe, sondern das wasserreiche Gebiet rund um Lenzen

Elbauental
Da ist es: Hinten die Elbe, vorne der Deich, dazwischen das Elbauental

Es geht durch Auentalwiesen, an unzähligen Störchen und Graureihern und Wildenten und Kranichen und Wildpferden vorbei.
Wildpferde?
Ja, tatsächlich wurde hier eine robuste Pferderasse rückgezüchtet und ganzjährig angesiedelt. Die "Liebenthaler Wildlinge" leben nun schon seit einigen Jahren in diesem Gebiet, pflanzen sich fort und fördern nebenbei die Diversität, indem sie durch das stetige Abgrasen Weideflächen sichern.

Wildpferde in Brandenburg
Freilebende Pferde in Brandenburg, die Liebenthaler Wildlinge

Sie sollen ganz friedlich sein, knuddeln geht aber leider nicht, denn sie stehen zu weit weg auf den Wiesen und in diesem Naturschutzgebiet ist das Verlassen der Wege natürlich tabu.

Es ist unglaublich friedlich und leer, an diesem schönen Wochenende hätte ich hier mehr Touristen erwartet. Seeadler kreisen ganze drei Mal über mir, und natürlich Störche.

Elbtalauenland und Seeadler
Elbtalauen und Seeadler
Storch an der Elbe


Auf dem Weg komme ich an einem alten Grenz-Wachturm vorbei, denn gegenüber ist Niedersachsen, hier entlang verlief also genau die Grenze.

Grenzturm bei Lenzen
Ehemaliger Grenzturm im grünen Band zwischen Brandenburg und Niedersachsen

Der Turm ist leider verschlossen, außen erzählt eine Tafel die Geschichte eines ehemaligen Grenzers, der ab den 60er Jahren die vermutlich langweilige Berufszeit nutzte, um Naturforschungen zu betreiben, insbesondere notierte er Vorkommen und Anzahl der Wildvögel über mehr als 20 Jahre. Durch diese Aufzeichnungen, die vor einigen Jahren dem BUND zur Verfügung gestellt wurden, ist es heute möglich nachzuvollziehen, welche natürlichen Lebensbedingungen für die mittlerweile verdrängten Arten erforderlich sind, um diese wieder anzusiedeln. Kleine Geschichten überall.

Mein Ausflug endet mit einer Fahrradpanne mitten auf dem Deich, und ich muss vom Fahrrad-Verleih-Besitzer abgeholt werden. Wir plaudern nett und er erzählt mir, dass er sich keinen schöneren Ort zum Leben vorstellen kann. Das kaufe ich ihm sofort ab. 

Burgtheater


Am Abend findet im Burghof Lenzen eine Aufführung des Wandertheaters "Ton & Kirschen" statt.

Freilufttheater

Freilufttheater
Aufführung vom "Hans im Glück" des Wandertheaters Ton & Kirschen

Und während mich das Stück zum Lachen bringt und ein bisschen zu Tränen rührt, geht hinter uns die Sonne unter und die Störche schnäbeln sich in den Schlaf. Genauso, wie es sein soll.

Störche im Sonnenuntergang


TTT - TierischeTouriTipps


Hinkommen:
Unterkommen:
Unternehmen:
Moorscheune in Boberow
Moorscheune in Boberow

Disclaimer: Ein herzliches Dankeschön an den Tourismus Prignitz e.V.  für die Einladung und besonders an Katarina, die mir unermüdlich die allerschönsten Seiten dieser Region zeigte und meinen Bildungsquotienten sicherlich um 8 Punkte anhob.

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